Rezension Ewald Arenz – Alte Sorten

Rezension Ewald Arenz – Alte Sorten

Autor: Ewald Arenz
Titel: Alte Sorten
Herausgeber: DuMont Verlag 
Datum der Erstveröffentlichung: 18. März 2019
Buchlänge: 256 Seiten
ISBN: 978-3-8321-8381-3
Preis: HC 20,00€ / eBook 14,99€
Erwerben

 

 Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

Sally und Liss: zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sally, kurz vor dem Abitur, will einfach in Ruhe gelassen werden. Sie hasst so ziemlich alles: Angebote, Vorschriften, Regeln, Erwachsene. Fragen hasst sie am meisten, vor allem die nach ihrem Aussehen.
Liss ist eine starke, verschlossene Frau, die die Arbeiten, die auf ihrem Hof anfallen, problemlos zu meistern scheint. Schon beim ersten Gespräch der beiden stellt Sally fest, dass Liss anders ist als andere Erwachsene. Kein heimliches Mustern, kein voreiliges Urteilen, keine misstrauischen Fragen. Liss bietet ihr an, bei ihr auf dem Hof zu übernachten. Aus einer Nacht werden Wochen. Für Sally ist die ältere Frau ein Rätsel. Was ist das für Eine, die nie über sich spricht, die das Haus, in dem die frühere An-wesenheit anderer noch deutlich zu spüren ist, allein bewohnt? Während sie gemeinsam Bäume auszeichnen, Kartoffeln ernten und Liss die alten Birnensorten in ihrem Obstgarten beschreibt, deren Geschmack Sally so liebt, kommen sich die beiden Frauen näher. Und erfahren nach und nach von den Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden.

Quelle: DuMont Verlag   

 

 

Ich muss gestehen, dass ich ein paar Tage verstreichen lassen musste, bis ich die Rezension zu Alte Sorten schreiben konnte, denn meine Gefühlswelt war kurz nach dem Beenden im Keller. Nicht weil das Buch so schlecht war, oder mir nicht gefallen hätte, nein, denn genau das Gegenteil war der Fall. Ich war in einem Loch, weil ich hier ein Buch gelesen habe, das mich nicht nur inhaltlich sondern auch sprachlich mehr als beeindruckt hat und in einen Strudel zog, aus dem ich eigentlich gar nicht mehr auftauchen wollte. Und wenn so etwas Seltenes passiert frage ich mich unweigerlich: Was soll jetzt noch kommen? An dieses Buch wird so schnell nichts mehr heranreichen. 

 

Die meisten Leute hatten vergessen, dass auch im Herbst Dinge wachsen konnten; und dass man mit ihnen vorsichtiger umgehen musste, als mit denen, die im Frühjahr kraftvoll aus der Erde schossen.
(Seite 37)

 

Da der Klappentext die Geschichte bereits so gut zusammenfasst, möchte ich hier gar nicht tiefer auf den Inhalt eingehen, denn in Endeffekt geht es um das Leben zweier Frauen, die ihren Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden haben und vielleicht auch gar nicht finden wollen.
Sally, die kurz vor ihrem 18. Geburtstag steht, ist auf der Flucht vor sich selbst und Liss, mehr als doppelt so alt, gefesselt von ihrem Wesen und ihrer Geschichte.
Sie verhalten sich wie zwei Planeten – grundverschieden und doch so gleich – die sich umkreisen, bis die Schwerkraft, die sie bislang auf Abstand gehalten hat, in sich zusammenfällt.
Und als sie auf dem Hof von Liss endlich aufeinanderprallen, entsteht eine Verbindung, die für beide unendlich befreiend wirkt.
Egal wie banal das hier auch klingen mag: Ich habe schon lange keine so einfühlsame, anrührende und emotional intelligente Geschichte gelesen wie diese hier. 

 

Ich ertrinke, dachte sie. Ich stehe an Land und ertrinke.
(Seite 188)

 

Ewald Arenz vereint hier nicht nur zwei Außenseiterinnen und deren Schickale miteinander, sondern beschreibt ihren Weg mit immens großer Empathie. Ich finde es erstaunlich wie sich ein männlicher Autor so in die Rollen von zwei Frauen hineinversetzten kann, ja dass es sich anfühlt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Ich war eingenommen von der Atmosphäre, berührt von seiner Art die unterschiedlichen Gefühle auszudrücken und fasziniert von seinen Beschreibungen alltäglicher Arbeiten am Hof. Schnaps brennen, Birnen ernten, Kartoffeln auflesen und Bienen zuckern – all das wollte ich selbst erleben und wäre am liebsten in den Seiten verschwunden. 

 

Das ist das Schöne an der Natur. Sie richtet sich nicht nach dem, was wir für richtig halten. Auch, wenn manche versuchen, sie sich so hinzurichten, wie es ihnen gefällt.
(Seite 112)

 

Mich hat dieses Buch unwahrscheinlich beeindruckt und tut es noch.
Es ist ein Roman darüber, wie oft uns ein Stück Leben weggenommen wird und wie schwer es ist, es wieder zurückzubekommen.

 

 

Alte Sorten von Ewald Arenz die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei Frauen, die ihren eigenen Weg gehen wollen. Sie sind auf der Suche nach Nähe, aber immer auf der Hut – jederzeit bereit, sich notfalls zu verteidigen oder blitzschnell zu verschwinden.

Für mich ein Jahreshighlight und alles andere als gewöhnlich! 

 

 

♥ Vielen Dank an den DuMont Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

Über den Autor
Ewald Arenz, 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Fürth.

Quelle: DuMont Verlag   

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert