Rezension Simone Lappert – Der Sprung

Rezension Simone Lappert – Der Sprung

Autor: Simone Lappert
Titel: Der Sprung
Herausgeber: Diogenes Verlag
Datum der Erstveröffentlichung: 01. September 2019
Buchlänge: 366 Seiten
ISBN: 978-3-257-07074-3
Preis: HC 22,00€ / eBook 18,99€
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♥ Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

Eine junge Frau steht auf einem Dach und weigert sich herunterzukommen. Was geht in ihr vor? Will sie springen? Die Polizei riegelt das Gebäude ab, Schaulustige johlen, zücken ihre Handys. Der Freund der Frau, ihre Schwester, ein Polizist und sieben andere Menschen, die nah oder entfernt mit ihr zu tun haben, geraten aus dem Tritt. Sie fallen aus den Routinen ihres Alltags, verlieren den Halt – oder stürzen sich in eine nicht mehr für möglich gehaltene Freiheit.

Quelle: Diogenes Verlag 

 

 

Was passiert in einer Kleinstadt, wenn plötzlich jemand ausbricht und sich vor aller Augen umbringen will? Was, wenn der sonst so geordnete und überschaubare Alltag durch diesen Vorfall plötzlich aus den Fugen gerät, weil man die Person kennt, die da auf dem Dach nahe des Abgrundes steht?
Was würdest du tun – ungeachtet der Tatsache, ob du die Person schon einmal gesehen hast oder nicht? Sensationslüstern in der Meute stehen und der Dinge harren, die da kommen? Eingreifen, soweit es dir möglich ist, oder nach Hause gehen und dein eigenes Leben weiterleben?

 

Leben heißt bleiben und ertragen, dass alles irgendwann verschwindet.
(Seite 110)

 

Der Sprung erzählt von Manu, einer jungen Frau, die auf dem Dach eines Mietshauses steht, um sich, ganz offensichtlichen, in den Tod zu stürzen, während sich auf dem Platz davor die Schaulustigen versammeln. Mit dem Handy machen sie Fotos oder drehen Filme und vereinzelt erschallen Rufe wie: Spring doch, du Weichei, mach doch! oder auch: So jemanden sollte man erschießen.
Dabei hat der Tag in der Stadt Thalbach eigentlich ganz normal begonnen, auch für Manu – endet aber in einem Großeinsatz von Feuerwehr und Polizei, die versuchen, die Hintergründe für ihr Handeln zu ermitteln. Und auch wenn ein Großteil der Einwohner es noch nicht ahnt, sind sie doch enger mit dem Schicksal von Manu und dessen Ausgang verstrickt, als es am Anfang noch den Anschein gemacht hat.

 

Hast du den Trotz in ihrem Gesicht gesehen, die Wut in ihrem ganzen Körper? Wer schreit und tobt, wünscht sich nicht, das Leben wäre vorbei. Er wünscht sich, es wäre anders.
(Seite 272)

 

Was ich vorher nicht wusste: Der Roman fußt auf einer realen Geschichte, die sich in der Schweiz abgespielt ha. Die Autorin sprach später selbst mit einer Angehörigen, welche damals mitten in der Menge stand und die teils abschätzigen Kommentare über die geliebte Person mitanhören musste.
Oben ein verzweifelter Mensch, unten die gaffende und zynische Masse – dieser Gedanke hat mich während des Lesens kaum losgelassen, denn was passiert eigentlich mit der eigenen Empathie in einem solchen Moment?
Woher kommen die Aggressionen, die manch einer dort unten verspürt und wer gibt ihnen das Recht, so über eine Person zu urteilen – kannten viele davon Manu ja nicht einmal?

Elf Figuren sind es, denen wir in Der Sprung folgen, wie etwa dem Polizist, der für den Einsatz abkommandiert wurde, der Frau, die den Vorfall der Polizei meldete, dem Freund von Manu und einem Ladenbesitzer-Ehepaar, die dank der Schaulustigen das Geschäft ihres Lebens machen.

Zu Beginn liest sich der Roman von Simone Lappert wie eine Vorabendserie – gut komponiert und durchaus unterhaltsam – bis man bestimmte Details wiedererkennt und allmählich realisiert: Die Ausschnitte aus den verschiedenen Lebenswelten der Protagonisten verweben sich zu einem Panorama von Thalbach und zu einem Plot, der sorgfältig und mit Schwung gebaut wurde.
Uns so hat jeder, wie es sich für das Kleinstadtleben nun mal gehört, auch sein eigenes Schicksal und seine Art und Weise, damit umzugehen. Hierbei liegen Glück und Unglück, Eintönigkeit und Langeweile so nahe beieinander, dass es fast schon zu glaubwürdig wirkt, als nur ein paar Worte, die eine erfundene Geschichte bilden.

Mit ihrer feinen Beobachtungsgabe nimmt die Autorin den Leser mit auf eine Reise ins Ungewisse und mich hielt sie mit dem beschriebenen Alltag und den damit verbundenen Entwicklungen ihrer Protagonisten wortwörtlich gefangen. Ich konnte das Buch nicht wirklich beiseitelegen, weil ich immer den Drang verspürte endlich zu erfahren, wie es mit Manu und ihrer Geschichte zu Ende geht und auch die anderen Charaktere waren durch die Bank glaubwürdig und mit der nötigen tiefe gezeichnet.

Da es für mich das erste Buch von Simone Lappert war, ist mein Sprung ins kalte Wasser definitiv geglückt und ich freue mich schon jetzt darauf, mehr von dieser Autorin zu lesen!
Ich kann euch nur empfehlen das Buch unbedingt selbst in die Hand zu nehmen!

 

 

Der Sprung von Simone Lappert ist so intensiv und detailreich geschrieben, dass ich es bestimmt nicht zum letzten Mal gelesen habe.
Es präsentiert das Leben in all seinen Facetten: Von den wunderschönen Momenten bis hin zu den Stolperfallen und allem dazwischen.
Von mir gibt es daher auch eine uneingeschränkte Leseempfehlung und volle Punktzahl!

 

 

♥ Vielen Dank an den Diogenes Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

Über die Autorin
Simone Lappert, geboren 1985 in Aarau in der Schweiz, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Mit ihrem Debütroman ›Wurfschatten‹ stand sie auf der Shortlist des ›aspekte‹-Preises. Sie ist Präsidentin des Internationalen Lyrikfestivals Basel und war Schweizer Kuratorin für das Lyrikprojekt ›Babelsprech.International‹. 2019 erschien der Roman ›Der Sprung‹, der für den Schweizer Buchpreis nominiert war. Sie lebt und arbeitet in Zürich.

Quelle: Diogenes Verlag 

 

 

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