Rezension Mieko Kawakami – Brüste und Eier

Rezension Mieko Kawakami – Brüste und Eier

Autor: Mieko Kawakami
Titel: Brüste und Eier
Herausgeber: Dumont Verlag
Datum der Erstveröffentlichung: 18.August 2020
Buchlänge: 496 Seiten
Titel der Originalausgabe: Natsumonogatari
ISBN: 978-3-8321-8373-8
Preis: HC 24,00€ / eBook 19,99€
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♥ Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

An einem drückend heißen Sommertag wird die dreißigjährige Natsuko von ihrer älteren Schwester Makiko und deren Tochter Midoriko in Tokio besucht. Makiko, die mit zunehmendem Alter mit ihrem sich verändernden Körper nicht zurechtkommt, ist davon besessen, sich einer Brustvergrößerung zu unterziehen. Währenddessen ist ihre zwölfjährige Tochter Midoriko von der einsetzenden Pubertät überfordert und sieht sich außerstande, in einer Gesellschaft, die alles Intime und Körperliche tabuisiert, ihre Ängste, Bedürfnisse und Fragen offen zu kommunizieren. Und auch die asexuelle Natsuko hadert mit der Frage, welche Rolle noch bleibt – als unverheiratete Frau, die nicht mehr Tochter ist und vielleicht nie Mutter sein wird.
Rasant und radikal widmet sich Mieko Kawakami der Diskriminierung von Frauen und damit einhergehenden Fragen nach sozialem Geschlecht, Schönheitsnormen sowie dem Alterungsprozess des weiblichen Körpers – und wagt es zu fragen, welchen Wert Frauen in der Gesellschaft haben, wenn sie sich all diesen Erwartungen widersetzen.

Quelle: Dumont Verlag

 

 

 

Die feministische Schriftstellerin Mieko Kawakami ist hierzulande kaum jemandem ein Begriff, selbst ich habe erstmals in der Herbstvorschau des Dumont Verlags von ihr gelesen. Aber ich hoffe, das wird sich nun durch ihren Roman Brüste und Eier ändern, denn die Japanerin hat einiges zu erzählen – stammt sie doch aus einem Land, in den Frauen ihre Ehemänner noch heute oft Gebieter nennen. Selbstverständlich handelt es sich hierbei lediglich um ein Wort, eine simple Anrede, und doch sagt es alles über das Verhältnis der Geschlechter aus: Frauen sollten sich ihrem Ehemann fügen. So war es damals und leider existiert dieser patriarchische Gedanke auch noch heute in manchen Köpfen. Und umso erstaunlicher finde ich es, dass ausgerechnet dort nun eine Frau Erfolge feiert, die sich diesem Rollenbild widersetzt.

 

Natsuko Natsume ist der Armut entkommen und lebt nun als Schriftstellerin in Tokio. Seit einiger Zeit wünscht sie sich allerdings nichts sehnlicher als ein Kind – das Problem: Sie ist allein, enttäuscht von Männern und lässt sich am ehesten wohl als asexuell bezeichnen. Die einzige Partnerschaft, die sie je hatte, ist mitunter daran zerbrochen, dass sie den Geschlechtsakt als solchen weder geniest noch mag.
Ihre ältere Schwester Makiko und deren 12-jährige Tochter Midoriko leben in einer heruntergekommenen Gegend in Osaka, wobei sich Makiko, die als Bardame ihr Geld verdient, eine Brustvergrößerung in den Kopf gesetzt hat, um die jüngere Konkurrenz auf Distanz zu halten.
Beide leben in einer Gesellschaft, in der das weibliche Geschlecht stark unterrepräsentiert ist und Frauen schwieriger an Arbeit kommen, die gut bezahlt wird.
Es sind zwei Frauen, die in der japanischen Gesellschaft als merkwürdige Seltenheit betrachtet werden und doch sind sie in diesem Buch einsamen Heldinnen.

 

Japan ist für viele das Land der technischen Verrücktheiten, vieler schriller und bunter Outfits, Heimat des Sushis und das des Lächelns, aber auch das Land der privaten Angelegenheiten, der Selbstmorde und des Traditionsbewusstseins. Die Liste könnte ich ewig so fortführen, denn es ist auch ein Land, das ich unglaublich gerne einmal in meinem Leben bereisen möchte.
Doch was davon entspricht tatsächlich der Realität und wie sieht dort eigentlich die Rolle der Frauen aus?
Mein Wissensdurst über dieses Land ist groß und deshalb stürzte ich mich auch voller Elan in dieses Buch und was ich bekommen habe war ein Einblick in das Leben zweier japanischer Frauen, das nicht nur ungeschönt, sondern auch fernab jeglicher Klischees war.

 

Die Menschen mögen Schönes. Sie wollen Schönes anfassen, Schönes anschauen und nach Möglichkeit selber schön sein. Schönes hat Wert. Es gibt aber Menschen, die von Schönheit meilenweit sind.
(Seite 62)

 

Brüste und Eier ein leicht erzählter, aber auch sehr fesselnder Roman, der hauptsächlich von den beiden Geschwistern Makiko und Natsuko handelt. Allein diese Tatsache ist schon bemerkenswert genug, denn die japanische Belletristik wird auch noch heute vorranging von Männern und ihren Interessen dominiert.
In der Wirtschaft und in Führungspositionen sieht man Frauen nur selten, sollen diese doch lieber völlig in ihrer Mutter—bzw. Familienrolle aufgehen, eigenen Ambitionen bleiben hier oft auf der Strecke.
Und genau dort setzt Mieko Kawakami an und thematisiert Dinge, für die es im öffentlichen Raum kaum Platz gibt. Sie findet klare Worte über Lust, Sex, Nähe und Partnerschaft. Über Schönheitsideale, den unerfüllten Kinderwunsch alleinstehender Frauen, die fast keine Chance auf eine künstliche Befruchtung haben und fern der Norm leben.
Hier wird nichts geschönt oder romantisiert. Die Autorin bildet das Leben ab, wie es für viele Frauen tagtäglich Realität ist und beleuchtet zudem auch den dazugehörigen anderen Part, wenn es um die Zunahme von Depressionen bei Männern geht.

Mich konnte Brüste und Eier definitiv überzeugen – radikal, feministisch und wunderbar geschrieben! Fernab von weichgespülten Happy Ends oder klischeehafter Romanzen.

 

 

 

Brüste und Eier von Mieko Kawakami ist ein vielschichtiger Roman, der sich um das Erfüllen oder nicht Erfüllen von weiblichen Rollenerwartungen dreht.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung und ich hoffe Bücher dieser Autorin!

 

 

♥ Vielen Dank an den Dumont Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

Über die Autorin
Mieko Kawakami, 1976 in Osaka, Japan, geboren, begann ihre Karriere als Sängerin und Songschreiberin, bevor sie 2007 ihr literarisches Debüt vorlegte, für das sie mit dem Tsubouchi-Shoyo-Preis für Nachwuchsschriftsteller*innen ausgezeichnet wurde. Im folgenden Jahr veröffentlichte Kawakami die Novelle ›Brüste und Eier‹, die die Grundlage des vorliegenden Romans bildet. Hierfür gewann sie den Akutagawa-Preis, Japans wichtigste literarische Auszeichnung, und etablierte sich als eine der bedeutendsten japanischen Autor*innen der Gegenwart.

Quelle: Dumont Verlag 

 

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