Autor: Leif Randt
Titel: Allegro Pastell
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch
Datum der Erstveröffentlichung: 05. März 2020
Buchlänge: 288 Seiten
ISBN: 978-3-462-05358-6
Preis: HC 22,00€ / eBook 18,99€
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♥ Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt ♥
Leif Randt erzählt vom Glück. Von Tanja und Jerome, von Wirklichkeit und Badminton, von idealen Zuständen und den Hochzeiten der anderen. Eine Lovestory aus den späten Zehnerjahren. Tanja Arnheim, deren Debütroman PanoptikumNeu Kultstatus genießt, wird in wenigen Wochen dreißig. Mit Blick auf den Berliner Volkspark Hasenheide wartet sie auf eine explosive Idee für ihr neues Buch. Ihr fünf Jahre älterer Freund, der gefragte Webdesigner Jerome Daimler, bewohnt in Maintal den Bungalow seiner Eltern und versucht sein Leben zunehmend als spirituelle Einkehr zu begreifen. Die Fernbeziehung der beiden wirkt makellos. Sie bleiben über Text und Bild eng miteinander verbunden und besuchen sich für lange Wochenenden in ihren jeweiligen Realitäten. Jogging durchs Naturschutzgebiet und Meditation im südhessischen Maintal, driftende Dauerkommunikation und sexpositives Ausgehen in Berlin – Jerome und Tanja sind füreinander da, jedoch nicht aneinander verloren. Eltern, Freund*innen und depressive Geschwister spiegeln ihnen ein Leid, gegen das Tanja und Jerome weitgehend immun bleiben. Doch der Wunsch, ihre Zuneigung zu konservieren, ohne dass diese bieder oder schmerzhaft existenziell wird, stellt das Paar vor eine große Herausforderung.
Quelle: Kiepenheuer & Witsch
Wenn ich in letzter Zeit ein Buch auf meiner Liste hatte, an dem ich unmöglich vorbei gehen konnte, dann war das wohl Allegro Pastell von Leif Randt.
Egal wo ich war, ob nun auf Instagram oder in einer Buchhandlung, überall sprang mir das Buch entgegen, mal angepriesen, weil es so gut ist, mal nüchtern betrachtet eher für enttäuschend erklärt.
Und wenn die Meinungen zu einer Geschichte so arg auseinandergehen, dann packt mich das und lässt mich nicht mehr los, bis ich mir selbst eine Meinung dazu gebildet habe.
Das habe ich und genau darüber muss ich nun mit euch reden!
Ich habe mal irgendwo gelesen, dass das, was das Gehirn als reine Gegenwart empfindet, ein Zeitfenster von drei Sekunden umfasst und ich muss zugeben, dass Leif Randt mit seinem 280 Seiten dicken Roman diesen wenigen Sekunden schon ziemlich nahe kommt.
Denn Allegro Pastell ist ein Buch, das einen blendet, weil es so extrem gut ausgeleuchtet ist und doch würde ich es, ohne es negativ zu meinen, als lauwarmes Meisterwerk bezeichnen.
Klar klingt das in manchen Ohren vielleicht widersprüchlich, aber ich meine es genau so: Es ist absolut stimmig und dokumentiert zeitgenössisch eine Zeitenwende mit Stil – ok, ich merke schon, es wird nicht besser 😊.
Der Ausgangspunkt ist ziemlich unspektakulär und beginnt mit der fast perfekten Liebesgeschichte von Jerome Daimler und Tanja Arnheim im Frühjahr 2018 und endet im Spätsommer 2019. Jerome ist da Mitte 30, Tanja knapp darunter. Er arbeitet als freier Webdesigner in Maintal in der Nähe von Frankfurt, sie als Schriftstellerin in Berlin. Sie führen eine Fernbeziehung, aber in dieser Beziehung ist nichts dem Zufall überlassen. Die Balance aus Nähe und Distanz ist wohlüberlegt, die Wahl ihrer Kommunikationsmittel ebenfalls. Und dass die traute Zweisamkeit dann doch bald einen Riss bekommt, hat nichts mit dem Mangel an emotionaler Intelligenz zu tun, sondern eher mit einem Übermaß derselben.
Ich persönlich konnte mir während des ganzen Romans ein schon fast zu gutes Bild über die Protagonisten machen. Für mich waren beide gutaussehend, weil alles, was sie tun, einer bewussten Entscheidung unterliegt. Sie passen perfekt zusammen, weil beide obsessive Beobachter sind und einen Plauderton an den Tag legen, den man durchaus als hyperreflektierend bezeichnen kann.
Es wird sehr viel essen gegangen und über Befindlichkeiten ausgetauscht und sobald sich mal ein kleiner erotischer Funke zwischen Jerome und Tanja auszubreiten droht, wird dieser sofort reflexartig abgemildert.
Oft ist es zum verrückt werden, wenn die beiden in ihrer eigenen Umlaufbahn um sich herum kreisen und in diesen Momenten wünscht man ihnen – nur so als Beispiel – ein Kind, damit sie ihre eigenen Problemchen vergessen und merken, dass nicht alles nur mit ihren eigenen Empfindlichkeiten geht. Denn sie reflektieren und zurechtreflektieren diese fein säuberlich, bevor sich überhaupt wirklich ernsthafte Komplikationen entwickeln können.
Wo in der Literatur oft Sprachlosigkeit und mangelnder Sensibilität in Beziehungen thematisiert wird, versetzten sich die Figuren von Leif Randt ständig in ihren Partner. Doch hier scheint es: Je sensibler ein System aufgebaut ist, desto schneller bricht es auch zusammen.
Denn eigentlich passiert zwischen Jerome und Tanja nichts Tragisches und trotzdem suchen sie immer wieder Abstand zueinander.
Sie arbeiten so angestrengt daran, nicht angestrengt zu sein und das kann bestimmt auch den Leser anstrengen – mich aber hat es einfach nur bestens unterhalten!
Die Protagonisten aus Allegro Pastell gleichen in meinen Augen einer Yoga-Übung: Immer achtsam bleiben, aber dabei völlig gechillt rüberkommen.
Hier verschwimmen Empathie und Narzissmus, denn eigentlich geht es nur um eine intensive Begegnung mit sich selbst.
Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung.
♥ Vielen Dank an den Kiepenheuer & Witsch Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥
Über den Autor
Leif Randt, geboren 1983 in Frankfurt a.M., ist ein deutscher Autor. Bereits erschienen sind die Utopien Planet Magnon (2015), Schimmernder Dunst über CobyCounty (2011) und der London-Roman Leuchtspielhaus (2009). Ausgezeichnet wurde seine Arbeit zuletzt mit dem Erich-Fried-Preis (2016) sowie mit Aufenthaltsstipendien in Japan (2016) und Irland (2019). Seit 2017 co-kuratiert er das PDF- und Video-Label tegelmedia.net.
Quelle: Kiepenheuer & Witsch