Rezension Jane Gardam – Robinsons Tochter

Rezension Jane Gardam – Robinsons Tochter

Autor: Jane Gardam
Titel: Robinsons Tochter
Herausgeber: Hanser Berlin
Datum der Erstveröffentlichung: 17. August 2020
Buchlänge: 320 Seiten
Titel der Originalausgabe: Crusoe’s Daughter
ISBN: 978-3-446-26783-1
Preis: HC 24,00€ / eBook 17,99€
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♥ Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt 

 

 

England 1904 – Polly, mit sechs Jahren schon eine Pflegefamilien-Veteranin, kommt zu ihren frommen Tanten in das gelbe Haus am Meer. Hier gibt es kaum Unterhaltung, aber es gibt Bücher, und lesend entwickelt sich Polly unbemerkt zu einer stillen, unbeugsamen Rebellin. Ein Buch liest sie immer wieder: “Robinson Crusoe” wird zu ihrem Kompass in jeder Lebenslage. Ihre eigene einsame Insel verlässt Polly Flint nie ganz. Doch am Ende ihres fast ein Jahrhundert umspannenden Lebens wird sie Liebe und Enttäuschung, Depression und rettende Freundschaft kennengelernt und ihre Bestimmung gefunden haben. Ein großer Roman voller hinter gepolsterten Türen verborgener Geheimnisse, so raffiniert und klug, wie nur Jane Gardam sie inszenieren kann.

Quelle: Hanser Berlin 

 

 

 

In England hat sich Jane Gardam bereits Anfang der 1970er Jahre einen Namen als Schriftstellerin gemacht, aber mir wurde sie erst viel später bekannt. Genauer gesagt 2020 als ich zum ersten Mal den Klappentext zu ihrem in Deutschland neu erschienenen Buch Robinsons Tochter gelesen habe.
Das Original erschien bereits 1985 und im Nachhinein bin ich sehr froh, dass es erst so spät bei uns übersetzt und veröffentlicht wurde, denn vor ein paar Jahren hätte ich zu diesem Buch wahrscheinlich gar nicht gegriffen. Warum? Weil ich erst in den letzten Jahren mein Herz an die erzählende Literatur verloren habe und ich glaube, dass ich dieses hier dann ziemlich vermisst hätte.

 

Mit sechs Jahren kommt Polly 1904 nach North-Yorkshire in das Gelbe Haus ihrer ältlichen und frommen Tanten, denn ihre Mutter ist gestorben, als sie ein Jahr alt war. Bis dahin ist sie bei Pflegemüttern aufgewachsen, da der Vater als Seemann sich nicht um sie kümmern kann.
Ihr neues Zuhause steht auf einem Hügel am Meer und wird für sie zu einer Insel. Sie entdeckt das Lesen und wird vom Hausdrachen Mrs. Woods auch in Deutsch und Französisch unterrichtet. Ihren Durst auf Literatur stillt sie in der umfangreichen Bibliothek des Hauses. Ihr Lieblingsbuch ist Robinson Crusoe von Daniel Defoe, welches sie manchmal sogar mehrmals im Jahr liest. Doch mit der Zeit wird es auch zu einer Art Kompass für ihr Leben, denn Polly fühlt sich genauso allein gelassen wie Robinson, obwohl sie von Menschen umgeben ist.

 

Aber ich bin auch jung und irgendwie ohne Leben. Ich bin leer. Ich bin nur da. Sitze herum und denke die ganze Zeit über mich selbst nach. Ich kann mich selbst irgendwie nie vergessen, und wie ich sein soll.
(Seite 78)

 

Als Leser begleitet man Polly quasi durch ihr ganzes Leben bis ins hohe Alter. Dabei durchlebt man viele Höhen und Tiefen, bangt mit ihr im 1. Weltkrieg um die Soldaten, erlebt, wie sie sich verliert und wieder fängt und im 2. Weltkrieg zu einer wichtigen Stütze für zwei jüdische Mädchen wird. Dabei sind das Gelbe Haus und Robinson Crusoe aber die zwei immerwährenden Konstanten in ihrem Leben, auch wenn alles andere auseinanderfällt.

Dabei lässt Jane Gardam Polly Flint als Ich-Erzählerin fungieren und gibt dem Leser so tiefe Einblicke in ihre Gefühlswelt, die vor allem durch die Religiosität ihrer Tanten geprägt ist.
Oft jedoch reagiert Polly anders als vermutet, weniger angepasst, denn als sie beispielsweise ihre eigene Konfirmation verweigert, oder später die ungeliebte, altgewordene Mrs. Wood pflegt, überrascht sie damit nicht nur uns, sondern auch andere in ihrem Umfeld.
Dabei kommt man Polly natürlich sehr nahe, trotzdem bleibt sie zeitgleich irgendwie auf Distanz. Man bleibt Beobachter, wird nicht endgültig warm mit ihr und kann relativ emotionslos ihrem Leben folgen und ihr Tun bewerten – und trotzdem, oder gerade deswegen, fesselt ihre Geschichte.

Auch die anderen Figuren leben häufig in ihrem Inneren isoliert, obwohl sie äußerlich wert auf Gesellschaft legen und so entstand bei mir das Gefühl, sie zwar zu kennen, aber das Du würden sie mir wohl nie anbieten.

Zudem enthält Robinsons Tochter wunderbare Beschreibungen, die an Charles Dickens erinnern und behandelt noch ein weiteres wichtiges Thema: Emanzipation. Zwar weniger durch streitbare Meinungen, sondern eher durch Pollys Auflehnung gegen die Frömmelei, doch trotzdem steckt alles drin, was es zu sagen gibt.

Kurzum: Jane Gardam erzählt eine Lebensgeschichte, die nie langweilig wird. Ausdrucksstark und mit gut eingesetzter Ironie gespickt, hat sie mir damit wunderschöne Lesestunden geschenkt. Was will man mehr?

 

 

 

Robinsons Tochter von Jane Gardam ist warmherzig, empathisch, zum Teil urkomisch und ironisch in seinen Beobachtungen von Menschen.
Wer gerne anspruchsvolle Familiengeschichten liest, ist hier bestens beraten.
Von mir gibt’s daher auch eine klare Leseempfehlung!

 

 

♥ Vielen Dank an den Hanser Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥

 

 

Über die Autorin

Jane Gardam wurde 1928 in North Yorkshire geboren und lebt heute in East Kent. Für ihr viel bewundertes schriftstellerisches Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Nach der Bestseller-Trilogie um Old Filth sowie dem Erzählungsband ” Die Leute von Privilege Hill” erschien bei Hanser Berlin zuletzt ihr Roman ” Weit weg von Verona” (2018).

Quelle: Hanser Verlag https://www.hanser-literaturverlage.de/autor/jane-gardam/

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