Autor: Leanne Shapton
Titel: Gästebuch – Gespenstergeschichten
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
Datum der Erstveröffentlichung: 12. Oktober 2020
Buchlänge: 320 Seiten
Titel der Originalausgabe: Guestbook. Ghost Stories
ISBN: 978-3-518-42956-3
Preis: HC 24,00€
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♥ Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt ♥
In Gästebuch erkundet eine der originellsten Erzählerinnen und Künstlerinnen der Gegenwart die gleichermaßen flirrenden wie verstörenden Ereignisse, die Menschen im Leben heimsuchen können, von denen sie sich aber kaum zu erzählen trauen. Ein Tennis-Wunderkind kollabiert nach jedem gewonnenen Match und schreibt den Sieg einer unsichtbaren, nicht ganz wohlwollenden Existenz zu. Eine Frau kehrt mit einem seltsamen Gefühl von einer Besichtigung der ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz zurück. Der Geist eines Gefangenen habe sich an sie geheftet, behauptet eine Freundin. Er habe ihr Mitleid für seinesgleichen gespürt. Ein Mann in einem blauen Anzug taucht auf zahllosen Society-Events überall in der Stadt auf – am selben Tag, zur selben Zeit.
Quelle: Suhrkamp Verlag
Manchmal gehören Geschichten zu Bildern, manchmal nur einzelne Zeilen. Bei Kinderbüchern ist das gang und gebe, bei Büchern für ältere Leser eher eine Seltenheit.
Schade eigentlich, denn die beiden ergänzen sich gerade bei Grusel- und Gespenstergeschichten vorzüglich, wie Leanne Shapton mit ihrem Buch/Bildband Gästebuch beweist.
Hier nämlich, verbindet eine, meiner Meinung nach, großartige Künstlerin Phantome und ungebetene Gäste, ohne dass man unbedingt weiß, ob es sich nun um Einbildungen handelt oder um reale Erscheinungen. Aber vielleicht macht das ja auch gar keinen Unterschied.
Ich verstecke mich. Ich verstecke mich gut. Sie ist dreist. Mein Blutdruck mag niedrig sein, aber sie ist dreist. Ich verstecke mich vor ihr, damit sie nicht sieht, was ich als nächstes tue.
(Seite 88)
Ich habe das Buch mit einer großen Neugier geöffnet, es ist wunderschön gestaltet und unheimlich zugleich. Stets haben die Bilder etwas Alltägliches an sich und trotzdem hat man das Gefühl, dass gerade die abgebildeten Gegenstände ihre eigene Aussagekraft besitzen.
“Denk daran, was du nicht zu sehen bekommst”, schreibt Leanne Shapton etwa unter ein Blumenaquarell und je länger man den Blick auf dieses Bild gerichtet hält, verändert es tatsächlich auch immer wieder seine Form (zumindest kam es mir so vor).
Es ist schon fast eine dreidimensionale Erfahrung, die man mit dieser Lektüre macht, aber sie braucht auch Zeit, die man sich unbedingt nehmen sollte, denn man muss knobeln, erkunden und vielleicht wie ich, auch ab und an googeln.
Es spielt mit dem, was man zu wissen glaubt und erst recht mit dem, was sich in unserem Unterbewusstsein abgelagert hat und wie jede gute Schauergeschichte verbindet auch diese hier das Unheimliche mit dem Heimlichen: kindliche Geborgenheit.
Häufig werden Fotos verwendet, um zu triggern. Manche von ihnen wirken intim, wie aus dem eigenen Familienalbum, andere hingegen, als wären sie einem Lehrbuch oder einer Klatschzeitschrift entnommen.
Manche von ihnen scheinen direkt etwas mit dem Text zu tun zu haben, gelegentlich widersprechen sie sich aber auch und Themen wie Trennung und familiäre Konstellationen bilden das häufigste Motiv.
Ihr merkt vielleicht, es fällt mir schwer, das Buch sinnvoll zusammenzufassen und die richtigen Worte dafür zu finden, aber eines ist sicher: in seiner wunderbaren Seltsamkeit ist Gästebuch wie gemacht für unsere Gegenwart. Für mich ein Trost- und Wohlfühlbuch. Intelligent und gesellig, bietet es ein unerschöpfliches Reservoir des heimelig Unheimlichen.
Außergewöhnlich und faszinierend – ein Buch wie das hier habe ich wirklich noch nie gelesen.
Für mich ist Gästebuch von Leanne Shapton die perfekte Verschmelzung klassischer Gruselgeschichten und einem kuriosem Fotoalbum.
Klare Leseempfehlung!
♥ Vielen Dank an den Suhrkamp Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥
Über die Autorin
Leanne Shapton ist Künstlerin, Illustratorin und Autorin. Sie wurde in Toronto geboren und lebt in New York. Neben zahlreichen Büchern veröffentlichte sie Artikel in The New York Times, Harper’s und The New Yorker. Sie unterrichtet an der Columbia University und ist eine der Gründer*innen des auf Fotografie spezialisierten Non-Profit-Verlags J&L Books. Zusammen mit Sheila Heti und Heidi Julavits gab sie das Buch Frauen und Kleider heraus.
Quelle: Suhrkamp Verlag