Autor: Tamara Bach
Titel: Wörter mit L
Herausgeber: Carlsen Verlag
Datum der Erstveröffentlichung: 28. Februar 2019
Buchlänge: 176 Seiten
ISBN: 978-3551553867
Preis: HC 11,00€ / eBook 7,99€
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♥ Dieser Beitrag enthält Werbung, da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt ♥
Auf einmal sind alle verliebt. Paulines beste Freundin Natascha und die blöde Leonie auch. Angeblich sogar Paulines Mutter. Aber das kann Pauline sich nun wirklich nicht vorstellen. Trotzdem benehmen sich plötzlich alle so komisch und streiten sich um nichts und wieder nichts, fast als würden sie nicht mehr dieselbe Sprache sprechen. Aber zum Glück sind da Lukas und sein dreibeiniger Hund. Vielleicht wissen die noch, wie man einfach nur einen Schneemann baut.
(Quelle: Carlsen Verlag)
Wenn ich Wörter mit L für dieses Buch finden müsste, würde meine Antwort wohl folgendermaßen lauten:
Lieblingsbuch
Literaturschatz
Leben
Tamara Bach beschreibt in ihrem ersten Roman für Kinder wahnsinnig feinfühlig die hauchdünne Phase des Übergangs vom Kind zum Teenager, in der sich auch die 11-jährige Protagonistin Pauline gerade befindet.
Mal abgesehen von ein paar Besonderheiten verlief Paulines Leben bisher eigentlich ganz normal.
Montags bis donnerstags wohnt sie bei ihrem Vater, seiner neuen Frau Jette und ihrem vierjährigen Halbbruder Jonathan und am Wochenende bei ihrer Mutter. Außerdem gibt es als weitere Konstante noch Natascha in ihrem Leben, die nicht nur als allerbeste Freundin seit Kindertagen fungiert, sondern auch immer ein offenes Ohr für sie hat.
Und falls die Probleme doch mal überhand nehmen sollten, ist selbstverständlich ihre immer ehrliche und offene Mutter für sie da.
Doch plötzlich scheint ein Virus in ihrem Umfeld zu grassieren, der ausgerechnet alle wichtigen Personen in Paulines Umfeld zu befallen scheint – denn jeder ist plötzlich verliebt.
Natascha hat ihr Herz samt Verstand an den gutaussehenden Mitschüler Tristan verloren und auch ihre Mutter soll heimlich einen neuen Mann in ihr Leben gelassen haben.
“Dämliche Herzscheiße“ findet Pauline, denn dadurch gerät auch ihr Leben ordentlich in Schieflage.
Es gibt Wörter, die klingen schön und die sind dann auch schön.
Poesie ist ein Wort, das so schön ist wie das Ding, das es beschriebt.
Es gibt Wörter, die klingen schön, aber das Ding dazu ist hässlich oder schlimm.
Heimweh klingt schön und tut nur weh.
Ich glaub, ich hab Heimweh.
(S. 116)
Zwar richtet sich Wörter mit L in erster Linie an ein sehr junges Publikum, aber selbst ich mit meinen immerhin schon 35 Jahren war von diesem Buch mehr als begeistert.
Tamara Bach ist hier ein kleines Kunststück gelungen, dass definitiv mehr ist als nur ein 0815 Pubertätsroman. Denn wahnsinnig feinfühlig und glaubwürdig beschreibt die Autorin hier eine herzzerreißende Schwelle, an der wohl jeder von uns früher oder später einmal gestanden war: Es ist dieser Übergang, an dem das Kind selbst merkt, dass es beginnt kein Kind mehr zu sein.
Zum Beispiel sieht Pauline zum ersten Mal nach dem Schwimmunterricht, dass alle Klassenkameradinnen zusammen nackt unter den Duschen stehen.
“Das ist nicht mehr so wie damals im Kindergarten im Sommer, wo man sich einfach ausgezogen hat und durch den Rasensprenger gehüpft ist. Da haben wir ja alle noch gleich ausgesehen”, denkt sie, “wie Frösche, mit Blähbauch und Beinen, die nur zum Springen da waren.” Als sie an sich hinuntersieht, stellt sie fest: “Ich bin kein Frosch mehr.”
Und genau hier wankt Paulines bisher bekanntes Weltbild bereits.
Auch Natascha, mit der sie bisher immer alles geteilt hat, unterhält sich mittlerweile lieber mit der langweiligen Leonie über Dinge, die so gar nicht mit der Gefühlswelt von Pauline konform sind und sie beginnt sich wie das dritte Rad am Wagen zu fühlen. Innerlich möchte sie schreien, äußerlich jedoch bleibt sie mucksmäuschenstill dadurch erzeugt Tamara Bach beim Leser Leerstellen, die man mit seinen eigenen Worten füllt. Vieles bleibt ungesagt, aber durch diesen inneren Monolog entsteht auch der große und bildhafte Reichtum, der dieses Buch zu etwas einzigartigen macht.
Ich komm mir vor, als wäre ich zwei Wochen krank gewesen und komm jetzt in die Schule und versteh gar nichts mehr, weil jeder Lehrer mit einem neuen Thema angefangen hat. Weil alle dabei waren, nur ich nicht. Als könnten alle plötzlich eine neue Sprache und ich versteh nur Lalula.
(S.75)
Man kann sich wunderbar in das große Gefühlschaos des jungen Mädchens hineinfühlen und auch durch den Schreibstil wird genau das noch einmal sehr deutlich. Mal kindlich, dann doch sehr gereizt oder verständnislos stößt Pauline oft an ihre Grenzen – wobei man als Leser trotzdem nie das Vertrauen und die Hoffnung in sie verliert. Denn wenn eine ihren Weg findet, dann Pauline.
Tamara Bach hat mit diesem Buch gezeigt, wie wunderschön man Gefühle in Worte packen kann.
Obwohl der Schreibstil sehr einfach und klar ist, gibt sie dem Leser und ihren Charakteren doch viel Raum zwischen den Zeilen und erschafft so eine Gesichte über die Gratwanderung zwischen Kindheit und Erwachsenwerden.
Eine absolute Leseempfehlung von mir!
♥ Vielen Dank an den Carlsen Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars! ♥
Über die Autorin
Tamara Bach, 1976 in Limburg an der Lahn geboren, studierte in Berlin Englisch und Deutsch für das Lehramt. Ihr erstes Buch, “Marsmädchen”, wurde als noch unveröffentlichtes Manuskript mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet und erhielt außerdem den Deutschen Jugendliteraturpreis. Weitere Bücher und Auszeichnungen folgten, u.a. der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2013 für “Was vom Sommer übrig ist”. 2014 stand “Marienbilder” auf der internationalen Auswahlliste White Ravens. Ihr Roman “Vierzehn” wurde gleich in zwei Kategorien für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Nach ihrem letzten Jugendbuch, “Mausmeer”, erscheint jetzt ihr erstes Kinderbuch bei Carlsen. Heute lebt und schreibt Tamara Bach in Berlin.
Quelle: Carlsen https://www.carlsen.de/urheber/tamara-bach/19602